Ist der Luisenplatz noch der richtige Ort, um Feierlichkeiten abzuhalten?

Aufgrund der vielen Vorkommnisse am Luisenplatz veröffentlichen wir in Auszügen die Rede von Nina Breimaier zum Volkstrauertag 2017:

Ursprünglich ist dieser Platz angelegt worden, um der gefallenen Soldaten zu gedenken, ihre Namen sind auf Tafeln aufgeführt. Einige Familien haben kein Grab an dem sie um ihre Gefallenen trauern können. Für sie sind diese Tafeln noch heute ein kleiner Ersatz. (Die teilweise problematische Auswahl der Namen wird auf den 2014 angebrachten Glastafeln kommentiert).

Wenn wir uns aber die Soldatenfiguren ansehen, so ist es eher ein „Kriegerdenkmal“ als ein „Gefallenen-Denkmal“. Diese beiden Soldaten mit Helm, Fahne und Gewehr spiegeln Ideale und Menschenbild der 1930er und 40er Jahre wider. Zu Recht setzen sich viele Menschen dafür ein, sie zu erhalten, um heutigen und nachfolgenden Generationen die Macht der damals herrschenden Einflüsse zu vergegenwärtigen.

Aber passen dieses Erinnern und Wachhalten der düsteren Geschichte Deutschlands und unserer Stadt zusammen mit dem würdigen Gedenken an die Toten aller Kriege sowie Opfer von Gewaltherrschaft, Verfolgung und Terrorismus?

Mir persönlich fällt es unglaublich schwer, heute an diesem Ort zu sprechen, der in den letzten Monaten (…) immer wieder Schauplatz politischer Provokation war und ist – sowohl von weit rechts als auch von weit links.

Und es fällt mir schwer, der Vertriebenen, Verfolgten, all der zivilen Opfer an diesem Ort zu gedenken, der von seiner Bildsprache immer noch so nahe an der ursprünglichen ist.

Viele Ideen, wie der Luisenplatz in Zukunft aussehen könnte, werden schon lange engagiert diskutiert. Meine persönlichen Vorstellungen haben sich innerhalb der letzten Jahre stark verändert. Zuletzt ist folgende Vision entstanden: Lassen Sie uns den Platz nutzen, um an dieses Kapitel unserer Stadtgeschichte zu erinnern. Und zwar so, dass jedem vor Augen geführt wird, wie nicht nur die von diesen Soldatenfiguren dargestellten Ideale aussahen, sondern auch, welches Leid diese Ideale verursachten:

Wie sah das Leben für die Menschen in der Radolfzeller Außenstelle des KZ Dachau aus?
Welche Repressalien gab es für Bürger unserer Stadt?
Welche Menschen wurden aus Radolfzell deportiert?
Wie gingen die Radolfzeller mit ihren jüdischen Mitbürgern und Andersdenkenden um? Wie sahen Aktionen des Widerstandes aus?

Lassen Sie uns diesen Platz von einem Kriegerdenkmal zu einem Geschichtsdenkmal bzw.-mahnmal umwandeln!

Und lassen Sie uns im gleichen Zuge einen würdigen Platz finden, wo wir der Opfer in Ruhe und Würde gedenken – sowohl der Gefallenen als auch der Vertriebenen und der zivilen Kriegsopfer. Außerdem all derer, die ganz aktuell Opfer von Terrorismus, Gewaltherrschaft und Verfolgung werden, jeden Tag.